Lizenzen für freie Software

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Schon seit längerer Zeit frage ich mich, welche Lizenz ich am besten für freie, quelloffen publizierte Software verwende.

Ich habe meine erste solche Software bereits vor über 15 Jahren veröffentlicht. Damals hat man sich über diese Problematik noch keinen großen Kopf gemacht und freie – oder quelloffene – Programme unter sehr einfachen Lizenzen publiziert. So habe ich z.B. meine Programme in Anlehnung an Donald E. Knuths großartiges TeX-System mit Copyrightnotizen versehen wie

This program is distributed WITHOUT ANY WARRANTY, express or implied.

Copyright (C) 1991, 1993 Hans-Hermann Bode

Permission is granted to make and distribute verbatim copies of this
document provided that the copyright notice and this permission notice
are preserved on all copies.

Permission is granted to copy and distribute modified versions of this
document under the conditions for verbatim copying, provided that the
entire resulting derived work is distributed under the terms of a
permission notice identical to this one.

Das war's. Keine zig-seitenlangen Bestimmungen, keine Verweise auf beigefügte Dateien, keine Verweise auf Weblinks. Ich bin nach wie vor ein großer Freund von solchen einfachen und dennoch klaren Lösungen.

Aber die Welt hat sich geändert. Wir benötigen heutzutage weit komplexere Bestimmungen, die möglichst jeden Eventualfall abdecken. So enthält etwa der Kopf einer Datei, die ich gemäß der GNU General Public License (GPL), Version 2, veröffentliche, einen Hinweis

Copyright (C) 2008 Hans-Hermann Bode, Berlin, Germany (h2b.de)

This program is free software; you can redistribute it and/or modify
it under the terms of the GNU General Public License, version 2,
as published by the Free Software Foundation.

This program is distributed in the hope that it will be useful,
but WITHOUT ANY WARRANTY; without even the implied warranty of
MERCHANTABILITY or FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE.  See the
GNU General Public License for more details.

You should have received a copy of the GNU General Public License
along with this program.  If not, see <http://www.gnu.org/licenses/&gt;.

Sieht auf den ersten Blick auch nicht viel komplizierter aus, aber hier kommen wir schon nicht ohne beigefügte Datei (a copy of the GNU General Public License) oder Weblink (see <http://www.gnu.org/licenses/&gt;) aus. Der Text selbst in der Datei ist hier noch überschaubar und einigermaßen auch für juristische Laien verständlich – sofern man mit der englischen (juristischen Fach-)Sprache keine Probleme hat, denn Übersetzungen gibt es nur „unverbindlich”.

Die Version 2 der GPL ist auch schon ziemlich betagt – sie stammt aus dem Jahr 1991. Inzwischen gibt es die GPL, Version 3. Zu dieser muss ich allerdings sagen, dass sie für mich viel zu lang, zu komplex und unverständlich ist. Es ist für mich unabdingbar, dass ich verstehe, unter welchen Bedingungen ich eine Software veröffentliche; außerdem sollen die Bestimmungen klar abgefasst, nachvollziehbar für jeden und möglichst kurz und überschaubar sein. Dies alles ist nach meinem Dafürhalten bei der GPL 3 nicht gegeben.

Wenden wir uns nun der Open-Source-Lizenz für die Europäische Union (European Union Public Licence, EUPL), Version 1.1, zu. Ein entsprechender Lizenzhinweis kann einfach so aussehen:

Copyright (C) 2009 Hans-Hermann Bode, Berlin, Germany (h2b.de)
 
Licensed under the EUPL V.1.1.

Die Lizenz selbst ist mit 7 Seiten noch von überschaubarer Länge und einigermaßen auch für juristische Laien zu verstehen. Inhaltlich ist sie in etwa mit der GPL 2 vergleichbar. Sie erlaubt sogar, abgeleitete Werke, die anderweitig lizenzierte Bestandteile enthalten, unter dieser anderen Lizenz zu veröffentlichen, wenn sie zu den explizit aufgeführten „kompatiblen” Lizenzen gehört, nämlich der

  • GNU General Public License (GNU GPL) v. 2,
  • Open Software License (OSL) v. 2.1, v. 3.0,
  • Common Public License v. 1.0,
  • Eclipse Public License v. 1.0 oder
  • Cecill v. 2.0.

Die EUPL ist an das Recht der Europäschen Union angepasst (während die GPL-Versionen eher an US-amerikanisches Recht angelehnt sind). Und nicht zuletzt ist die EUPL in allen 22 Amtssprachen der 27 Mitgliedsstaaten der EU verfügbar, und zwar in gleichwertigen Übersetzungen: „Alle von der Europäischen Kommission anerkannten Sprachfassungen dieser Lizenz sind gleichwertig. Die Parteien können sich auf die Sprachfassung ihrer Wahl berufen.” Schon allein diese beiden Tatsachen machen die EUPL für mich als EU-Bürger interessant.

Die Free Software Foundation (Hüter der GPL) führt die EUPL unter „GPL-Incompatible Free Software Licenses”. Sie bescheinigt der EUPL, eine freie Softwarelizenz und vergleichbar mit den GPLs zu sein, moniert aber die Veröffentlichungsmöglichkeit abgeleiteter Werke unter insbesondere der Mozilla Public License (die tatsächlich aber in der EUPL 1.1 gar nicht als kompatible Lizenz aufgeführt ist, vgl. oben) und der Common Public License, welche nur über ein schwächeres Copyleft verfügten. Weiter wird die vorhandene Kompatibilität zur GPL 2, jedoch Inkompatibilität zur GPL 3 genannt und daraus die Empfehlung abgeleitet, die EUPL nicht zu verwenden: „Because of this incompatibility, we urge you not to use the EUPL for any software you write.”

Es gibt natürlich noch eine große Zahl weiterer freier und unfreier Softwarelizenzen, die hier nicht betrachtet wurden. Die Free Software Foundation (FSF) gibt hier einen Überblick. Trotz deren Kritik favorisiere ich die EUPL aufgrund der beschriebenen Vorteile als die für meine persönlichen Belange momentan beste Lösung. Es gibt sicherlich Umstände, unter denen sich eine Anwendung der EUPL verbietet (etwa wenn das eigene Werk von anderweitig lizenzierten Werken abgeleitet ist), aber soweit machbar, werde ich wohl in Zukunft der EUPL in Lizenzierungsfragen den Vorrang geben.

Die Texte der besprochenen Lizenzen sind im Anhang beigefügt.

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EUPL-1.1-DE.pdf 39.76 KB
EUPL-1.1-EN.pdf 33.47 KB
GPL-2.0.txt 17.57 KB
GPL-3.0.txt 34.32 KB
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